Loccum 3/XI

Luftwaffen-Tanklager Loccum:

Im Jahr 1936 entstand ca. 2 Kilometer westlich der Gemeinde Loccum ein Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes. Nordwestlich des Lagers hatte die Reichswasserstraßenverwaltung seinerzeit ein Gelände für die Ablagerungen von Kies- und Sandmassen aus der Wasserregulierung der Weser bei Heimsen gekauft. In dem aus einfachen Holzbaracken mit Ofenheizung bestehenden Barackenlager waren die Arbeitskräfte des Reichsarbeitsdienstes zum Verteilen des Aushubes untergebracht.

Anfang des Jahres 1939 wurde vom Oberkommando der Luftwaffe der Bau eines weiteren Lufttanklagers im Luftgau XI bei Loccum beschlossen. Hierfür wählte man die „Loccumer-Kippe“ aus. Jenes Gelände auf dem über die vorrangegangenen Jahre Kies und Sand aus den Wasserregulierungsmaßnahmen aufgeschüttet worden waren.
Noch im selben Jahr begann man mit den ersten Planungen und Bauarbeiten am neuen Luftwaffen-Tanklager. Fertigstellungstermin sollte laut anfänglicher Planung bereits am 1.11.1939 sein. Tatsächlich aber zögerte sich der Bau des neuen Tanklagers immer weiter nach hinten hinaus und so begann man erst 1940 mit dessen Errichtung.
Das gesamte Areal des neuen Tanklagers umfasste über 60 Hektar und war zu großen Teilen bereits um die 6-10 Meter hoch mit Kies und Sand aus der Weser aufgeschüttet worden.

Mit dem Bau des Tanklagers wurde 1939/1940 südlich der „Loccumer-Kippe“ ebenfalls der neue Verwaltungsbereich errichtet. Hier entstanden der Haupteingang mit Wachgebäude, das Verwaltungsgebäude und ein Kameradschaftsheim mit Küchenflügel.
Das bis dahin vom Reichsarbeitsdienst genutze Barackenlager im südöstlichen Bereich des Areals diente fortan als Baulager für die Luftwaffe.

Der Lageplan unten zeigt eine Rekonstruktion des Luftwaffen-Tanklagers aus mehreren Quellen.

Im Gegensatz zu den von der WiFo bereits 1937 gebauten und 1938 an die Luftwaffe übergebenen Tanklagern sollte in Loccum eine völlig neue Bauweise Anwendung finden. Das in Eigenregie der Luftwaffe geplante und nur noch mit Hilfe der WiFo errichtete Tanklager sollte den neuesten Anforderungen an eine solche Anlage entsprechen.
Das Fassungsvermögen des Luftwaffen-Tanklagers Loccum lag im Endausbau bei 20 Millionen Litern Kraftstoff, welcher in 27 stehenden Behältern gelagert werden sollte. Der höchstmögliche tägliche Umschlag lag im besten Fall bei 500 Eisenbahnkesselwagen.
Insgesamt bestand das Tanklager aus 3 Behältergruppen mit je 9 erdversenkten Behältern von je 750m³ Inhalt. Zusätzlich zur Erdüberdeckung erhielt jeder Behälter, genauso wie die verlegten Rohrleitungen, einen Splitterschutz aus Beton gegen Angriffe aus der Luft.
Die 9 Behälter jeder Gruppe waren halbkreisförmig auf beiden Seiten des mittig durch die Behältergruppe langgestreckten Bahnkörpers angeordnet. In der Mitte einer jeden Behältergruppe lag der Kommandostand (Ventilgebäude) und ein Äthylkeller für Bleitetraäthyl. Außerdem verfügte jede Behältergruppe über eine E-Station mit Transformator und Notstromaggregat.
Zur Be- und Entladung sollten am durch die Behältergruppe führenden Gleis insgesamt 3 Füllstellen mit je 8 Zapfstellen für Eisenbahnkesselwagen, sowie an der Ringstraße 2 Füllstellen mit je 5 Zapfstellen für L.K.W. entstehen. Der Zulauf des Treibstoffes sollte von den Eisenbahnkesselwagen mit natürlichem Rohrgefälle in die erdversenkten Behälter erfolgen.

Nördlich zwischen Behältergruppe I und II befand sich die Feuerwache des Tanklagers. Gleich südlich der Feuerwache stand das Kompressorenhaus.
Zwischen dem Verwaltungsbereich im Süden und den Behältergruppen lagen an der Ringstraße mehrere Nebenbauten. Von den geplanten Bauten ist bis Kriegsende nur ein Teil fertiggestellt worden. Vollendet wurden nach jetzigem Stand das Kesselhaus, das Laborgebäude, die Betriebswerkstatt, das Faßreinigungsgebäude und die Wasserpumpstation mit Tiefbrunnen und unterirdischen Wasserbehältern.
Im Fassumschlagslager wurden die Fassannahmestelle (Rampe mit Rollplatz) und insgesamt 3 Schmierstoff-Lager, davon 2 für E.K.W. und eines für L.K.W., fertiggestellt.
Zudem wurde eine E.K.W.-Waschanlage am Gleis zwischen Fassumschlagslager und Betriebswerkstatt gebaut.

Das folgende Foto zeigt mehrere Eisenbahnkesselwagen im Tanklager kurz nach dem Eintreffen der englischen Truppen.

Verkehrstechnisch war das Tanklager an die gut ausgebaute Landstraße Loccum – Seelenfeld angeschlossen. Zudem führten vom Tanklager ca. 5 Kilometer Gleisanlagen über einen Bahndamm zum Bahnhof Münchehagen. An diesen Gleisanlagen befand sich auch der Übergabebahnhof des Tanklagers mit Gleiswaage.
Für die Anbindung an eine Wasserstraße wurde bei Ilvese damit begonnen einen kleinen Stichhafen zu bauen. Ein Durchstoß zur Weser fand aber nicht mehr statt. Verbunden werden sollte das Tanklager und der Stichhafen durch unterirdisch verlegte Rohrleitungen. Ob die dazugehörigen Bauten am Hafen fertiggestellt wurden ist nicht bekannt.

Mit Schreiben vom 9.6.1943, durch das Luftgaukommando XI Verwaltung Bau, zu Händen Bau Ing. Köhler wurde der Bau eines Nebelsäurelagers in Loccum angeordnet. Genauere Informationen über dieses Bauvorhaben liegen nicht vor. Fest steht aber, das sich im Tanklager zum Ende des Krieges neben anderen Stoffen auch große Mengen an Fässern mit Nebelsäure befanden.

Das untere Foto zeigt die noch im Bau befindliche Behältergruppe III im Sommer 1945.

Aufgrund des sich immer weiter verkleinernden Reichsgebietes im Jahre 1944 gewann das Lufttanklager Loccum wieder an Bedeutung. Laut einem Schreiben des Oberkommandos der Luftwaffe vom 15.4.1944 wurde die bis dato als Feldlufttanklager z.b.V. 1/VIII Loccum bezeichnete Anlage mit sofortiger Wirkung organisatorisch in das Lufttanklager 3/XI Loccum umgewandelt.
Im September 1944 war das Tanklager baulich dann zu ca. 2/3 fertiggestellt. So waren Behältergruppe I und II zwar in Betrieb, es fehlte aber bei beiden Gruppen der 2. Äthylkeller am Kommandostand.
Behältergruppe III befand sich noch immer im Bau. Es fehlten bei 3 Behältern noch die Betonummantelungen und die E-Station war nicht fertiggestellt. Zudem fehlte im gesamten Bereich der Behältergruppe III die Erdanschüttung. Es ist nach jetzigen Kenntnisstand davon auszugehen das Gruppe III bis Kriegsende nicht mehr in Betrieb gegangen ist.

Am 14.2.1945 wurde das Lufttanklager durch 4 verirrte Tiefflieger angegriffen. Durch den Abwurf von 5 Splitterbomben entstand allerdings nur geringer Sachschaden.
Anfang April 1945 befahl das Luftflottenkommando Reich die Auflösung das Lufttanklagers Loccum zum 25.5.1945. Dieser Auflösung kam die englische 159. Brigade der 11. Armoured Division am 7.4.1945, nach Kämpfen um die Stadt Loccum, allerdings zuvor.
Nur zwei Tage vor dem Eintreffen der englischen Armee, am 5.4.1945, führte die Wehrmacht die Sprengung verschiedener Treibstoffbehälter und Gebäude durch. Durch die Sprengungen wurden mehrere Behälter in Brand gesetzt. Dabei sind auch diverse Nebenbauten wie die Betriebswerkstatt und das Labor abgebrannt.

Was nicht von den Deutschen gesprengt wurde fiel zu einem großen Teil den Sprengungen der Engländer zum Opfer. Sämtliche Tankbehälter, Rohrleitungen und verschiedene Nebengebäude wurden nachhaltig gesprengt. Zurück blieb ein zerklüftetes Trümmergelände.
Was noch zu gebrauchen war wurde 1946 von der Reichsbahn abgebaut. Hierzu zählen alle Eisenbahnschienen, die Fenster, Türen, Rohrleitungen und alles andere was so kurz nach dem Krieg anderweitig gebraucht werden konnte.

Auf dem folgenden Foto sieht man die ehemalige Feuerwache des Tanklagers. Das Gebäude wurde nach dem 2. Weltkreig landwirtschaftlich genutzt.

Die erhalten gebliebenen Gebäude fanden nach dem 2. Weltkrieg neue Verwendung. So wurden das Kesselhaus und alle 3 Schmierstoff-Fasslager beispielsweise von einer Konservenfabrik in Beschlag genommen. Andere Gebäude wie die Feuerwache und das Kompressorenhaus wurden landwirtschaftlich genutzt.

Der Verwaltungsbereich wurde nach der Übernahme des Tanklagers durch die Allierten von 1945 bis 1946, zuletzt als polnisches Entbindungsheim, genutzt. Danach standen die massiven Gebäude 2 Jahre leer.
Ab 1.6.1948 wurden die Gebäude an den Blindenverband Niedersachsen e.V. aus Hannover als Blindenheim vermietet. Im Jahre 1951 errichete der Blindenverband ein neues Werkstattgebäude nördlich der vorhandenen Bauwerke. Ende 1959 verließ der Verein die Gebäude wieder und ging in die bezugsfertigen Neubauten nach Hannover.
Am 30.5.1960 wurden die Bauten dann durch die Standortverwaltung Nienburg für das Versorgungsbatallion 36 als Kaserne „Steinlager“ übernommen. Nach verschiedener Belegung der Gebäude durch die Bundeswehr als Unterkünfte befindet sich heute wieder eine Blindenwerkstatt im ehemaligen „Steinlager“ der Bundeswehr.

Das Luftwaffen-Baulager wurde nach dem 2. Weltkrieg vom Land Hessen zur Unterbringung von Flüchtlingen aus der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands verwendet. Ende 1957 wurde das mittlerweile völlig verwohnte und herunter gekommene Barackenlager renoviert.
Am 4.8.1959 wurden die frisch renovierten Baracken von der Bundesvermögenstelle an die Standortverwaltung Nienburg übergeben. Das Barackenlager erhielt von der Bundeswehr den Namen „Birkenlager“.

Das Foto unten zeigt Betontrümmer im ehemaligen Tanklager. Auf einem Bruchstück hat sich die 2. Kompanie des Panzerpionierbataillons 130 der Bundeswehr verewigt.

Das ca. 5 Kilometer lange Anschlußgleis vom Tanklager zum Bahnhof in Münchehagen wurde Ende der 1940er Jahre komplett demontiert. Mitte der 1950er Jahre war nurnoch der Bahndamm vorhanden. Die Eisenbahnbrücken über die Straßen wurden ebenfalls zurückgebaut.

1958 hat der Bundesminister für Verteidigung die Genehmigung an das Landesstraßenbauamt Bielefeld erteilt, rund 200000m³ Kies und Sand aus dem Gelände des ehemaligen Tanklagers für den Neubau der Umgehungsstraße Döhren – Wasserstraße zu entnehmen.
Am 4.9.1960 erfolgte die Übernahme des restlichen ehemaligen Tanklagergeländes durch die Standortverwaltung Nienburg als Standortübungsplatz Loccum.